Großformatige und hoch aufgelöste Prints von Momentaufnahmen dynamischer Feldzustände. Fortsetzung der Ausstellung "Also Sprach Algorismi" vom letzten Jahr, erweitert um neue Arbeiten.

Die Ausstellung war zu sehen an jedem Samstag und Sonntag im November 2017, in den Clubräumen der Jubiläumshalle Biedermannsdorf.



Alle Prints sind von der Firma Digital Laut in der Wiener Ziegelofengasse gedruckt und können zum Selbstkostenpreis von 120 Euro (belegt durch Rechnung der Firma Laut) nachbestellt werden, unter dextro@dextro.org.



In Dextro.orgs Ausstellung "Feldzustände" sind großformatige Fineart-Prints mathematisch generierter Bilder zu sehen. Sie sind programmiert mit nicht-linearen Algorithmen, ähnlich denen, die in der Natur vorherrschen. Die Motive sind daher nicht geometrisch und regelmäßig, wie ihr mathematischer Ursprung vielleicht vermuten ließe, sondern organisch und dynamisch. Trotz ihrer offensichtlichen Künstlichkeit wirken sie natürlich.


Diese Bilder stellen hochaufgelöste Momentaufnahmen von Feldzuständen dar: wie eine weiße Platte, unter der sich Magnete befinden und auf die Eisenstaub gestreut wird, zeigen sie die Interaktionen zwischen (unsichtbaren) Attraktoren. Deren Beziehungen zueinander sind viel komplexer als in der Natur möglich, werden jedoch auf die selbe Weise sichtbar gemacht: schwarze Punkte (einzelne Pixel) werden aufgestreut, und wo sie sich niederlassen, wird das Bild dunkler, wo sie von den Kräften wegbewegt werden, bleibt es hingegen weiß (und auch die Farben kommen auf diese Weise zustande).
Um die zugrunde liegenden Mechanismen intuitiv nachvollziehbar zu erhalten, werden die Bilder anschließend nicht nachbearbeitet.
  Diese Ausstellung setzt die vom letzten Jahr, im Galerieturm der Badener Bezirkshauptmannschaft, fort. Genannt "Also sprach Algorismi", würdigte sie den Umstand, dass das Wort "Algorithmus" auf Abu Dscha'far Muhammad ibn Musa al-Chwarizmi zurückgeht, der später verballhornt Algorismi genannt wurde. Seine Lehrschrift über die indischen Ziffern, um 825 in Baghdad verfasst, wurde ins Lateinische übersetzt und war unter dem Titel "Dixit Algorismi" (also "Algorismi hat gesagt") von immenser Bedeutung für die Rechenkunst der abendländischen Zivilisation.


Manche der Bewegungen, aus denen die Momentaufnahmen der Ausstellung "Feldzustände" stammen, sind in Form von Videos auf vimeo.com/dextroorg zu sehen, und noch bis Ende des Jahres in einer Videoinstallation am Bahnhof Baden.





Walter Gorgosilits betreibt Dextro.org seit 1994. Es ist eines der frühesten visuellen Netzkunstprojekte der Welt. Ein anderes Projekt, das er 1997 initiierte, Turux.org, gilt heute als Pionierarbeit der österreichischen interaktiven bzw. generativen Kunst.

Weitere Info:
- Allgemeines über Dextro.org und Turux.org,
- Liste der Veröffentlichungen (Ausstellungen, Bücher, CDroms...),
- Liste der Videos und der Filmfestivals, die sie zeigten,
- Presse,
- Allgemeines zu den algorithmischen Arbeiten.



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In der Ausstellung sind vor allem Motive der Serie "k456" zu sehen.


Eine kurze und schöne Doku der Ausstellung hat N1, das Niederösterreich Fernsehen gemacht.


Dass die Bilder von einem Computer berechnet werden und auf Code basieren, bedeutet nicht, dass sie zufällig sind oder es leicht wäre, sie zu generieren (wie ein Screensaver).
In den Algorithmen stecken viele tausende Stunden Arbeit, die sich über 15, bei manchen über 20 Jahre erstreckte. Wegen der Komplexität der Algorithmen kann diese Arbeit jedoch nicht in allen Details zielgerichtet sein, sondern besteht hauptsächlich im Ausloten, Beurteilen und Weiterverfolgen der möglichen Verhaltensweisen eines bestimmten Codes. Für alle seine Parameter müssen nummerische Fenster gefunden werden, innerhalb derer die Formen und Muster deutlich werden (und nicht in Rauschen untergehen, oder außerhalb des Bildformats liegen), und diese (in der Regel um die 30) Parameter beeinflussen sich alle auch gegenseitig, was den extremen Zeitaufwand erklärt.
Zufälligkeit kommt dabei nur auf eine Weise zum Einsatz: wenn millionen Mal hunderttausende Pixel (mit 1% Dichte) aufgestreut werden, um langsam (wie auf einem Foto im Entwicklerbad) ein kontrastreiches und hochaufgelöstes Bild zu ergeben, spielt es keine Rolle, dass ihre Ausgangspositionen zufällig sind: ihre große Anzahl verwischt mit der Zeit jede Zufälligkeit.
Am unteren Rand jedes Prints steht der (Java-)Code, und wer den in ein Programm wie "Processing" eingibt, erhält (nach zwei bis drei Tagen Renderzeit) exakt das dargestellte Bild.

Bilder als Feldzustände zu definieren bedeutet auch, dass man sie nicht partiell und zielgerichtet ändern kann: das Bild wächst nicht ausgehend von einem bestimmten Punkt, sondern entsteht überall gleichzeitig, und alle aufgestreuten Pixel folgen den selben Regeln, zu jeder Zeit.
Jede Änderung in den Parametern wirkt sich immer auf das ganze Feld aus.
Und nirgends im Code sind irgendwelche Formen beschrieben: ihre Positionen, Längen und Winkel ergeben sich rein aus der Überlagerung der (genaugenommen oszillierenden) Felder.

Die Arbeit an diesen Bildern hat viel mit Introspektion zu tun, und Meditation ist ein wichtiges Instrument, um Formen und Bewegungen der Natur in Algorithmen zu übersetzen, oder sich überhaupt neue auszudenken.
Das Publikum für nicht-gegenständliche Bilder ist naturgemäß klein, aber es finden sich immer wieder Menschen, die sie exakt so verstehen, wie sie gemeint sind. Ein solcher war eine Besucherin am ersten Tag der Ausstellung.
Sie sagte, sie habe keinerlei gegenständliche Assoziationen (was ich ganz wunderbar finde).
Und, sie empfinde eine gewisse Ruhe und Gelassenheit, käme zu sich selbst, und das Bedürfnis, ständig zu beurteilen, trete in den Hintergrund.
Gut oder schlecht, schön oder nicht, seien sekundäre Attribute, bereits subjektive Interpretationen.
Denn erst einmal ist das im Bild festgehaltene Feld so wie es ist, und das innere Feld des Betrachters resoniert mit ihm, unmittelbar.
Das ist direkte Kommunikation, die so unmissverständlich und universell gültig mittels gegenständlicher Bilder oder gar Worte nie möglich wäre.



Fotos der Ausstellung: